Auf in neue Dimensionen

Selten ist es so schwergefallen, passende Adjektive für die Beschreibung eines so einzigartigen Konzerterlebnisses zu finden, wie es das Neujahrskonzert 2018 gewesen ist. Das LJBO Steiermark drang in neue blasmusikalische Dimensionen vor und setzte neue Maßstäbe.

Es ist am besten mit dem Aufstellen eines neuen Weltrekordes in einer Sportart oder der Erstbesteigung eines Gipfels vergleichbar, was die jungen Musikerinnen und Musiker des LJBO am 6. Jänner dem Publikum im ausverkauften Grazer Stefaniensaal boten. Das Orchester unter Wolfgang Jud und Siegmund Andraschek führte das Publikum in neue Welten und Dimensionen von Emotionen und Klangfarben.

 

Monumentales und Traditionelles

Die erste Hälfte des Abends leitete der ehemalige Landesjugendreferent Wolfgang Jud, und bereits beim Erklingen der "Wiener Philharmoniker Fanfare" von Richard Strauss war eine besondere Stimmung im Orchester zu spüren, die sich auf den gesamten Saal übertrug. Es war diese für das LJBO typische Kombination aus Talent, Können und Freude an der Musik, die in der folgenden "Overtüre op. 96" von Dmitri Schostakowitsch und vor allem in "Bonaparte" von Otto M. Schwarz Sensationelles erahnen ließ. Im monumentalen programmatischen Werk "Bonaparte", das sich dem Leben und Wirken Napoleon Bonapartes widmet, überzeugte das Orchester sowohl mit wuchtigen und satten als auch zarten und zerbrechlichen Klängen und reizte die dynamische Bandbreite der Musik bis aufs Letzte aus.

Die "Armenischen Tänze - Teil 1" von Alfred Reed führten das Publikum in scheinbar fremde Klangfarben der armenischen Volksmusik und deren Besonderheiten in der Harmonie und Rhythmik. Noch so schwierige Taktwechsel und rhythmische Figuren klangen doch so einfach, und mit diesem Gefühl aus fremdartiger, aber doch vertrauter Folklore ging das LJBO in die Pause.

Neue Dimensionen

Nach unscheinbaren Umbauarbeiten wechselte Siegmund Andraschek aufs Dirigentenpult und sein Werk "Sound of Music" sprengte alles, was wir bisher über Blasmusik gewusst und gehört hatten. Es folgte eine nur von tosenden Applausstürmen unterbrochene Abfolge von Melodien und Rhythmen aus zahlreichen musikalischen Genres. "Sound of Music" erzeugte Emotionen und berührte die Herzen des Publikums bis in die letzte Faser.

Die Gesangssolisten Juliette Khalil, David Sitka und Bernhard Viktorin setzten dem Treiben auf der Bühne noch die Krone auf und spornten auch das Publikum zum Mitwirken an, was schließlich dazu führte, dass der gesamte Stefaniensaal stehend applaudierte und seiner Begeisterung für die gebrachten Stücke freien Lauf ließ. Wer zu diesem Zeitpunkt gedacht hätte, dass keine Steigerung mehr möglich sei, wurde eines Besseren belehrt. Mit dem deutschen Choreographen Florian Hurler hatte das LJBO eine atemberaubende Performance einstudiert, die den letzten Teil des Abends mit der Gesangssolistin Anna Hiden zu einem Augen- und Ohrenschmaus vom Feinsten werden ließ. Bewegung, Tanz, Freude, Glück und Musik sind nur einige Wörter, mit denen man diesen Abschluss beschreiben kann.

Darf man das?

Glückliche Musiker, Solisten, die "Selfies" von sich mit dem begeisterten Publikum machten, und strahlende Gesichter überall im Saal zeigten, dass das LJBO mit seinem Programm etwas nie Dagewesenes dargeboten hatte, etwas, das die Blasmusik, wie wir sie bisher gekannt haben, revolutioniert hat. Auch die Zugaben des Orchesters, vor allem der "94er Regiments-Marsch im neuen Gewand", brachen traditionelle Vorstellungen auf und zeigten, wozu Blasmusik fähig ist.

Abschließend sei die Frage gestellt: Darf man das? Darf man als sinfonisches Blasorchester auf der Bühne tanzen und singen? Darf man als Solist "Selfies" von sich mit dem Publikum machen?

Darauf gibt es nur eine Antwort: JA - man SOLL das machen! Das LJBO Steiermark hat mit dem Neujahrskonzert gezeigt, dass Blasmusik etwas Lebendiges ist und sich ständig neu erfindet, ohne dabei seine Wurzeln zu verleugnen. Wolfgang Jud und Siegmund Andraschek haben mit dem Neujahrskonzert 2018 der Blasmusik als Ganzes unglaublich geholfen. Einerseits wurde der Stellenwert der Blasmusik als Kulturträger wiederum enorm gestärkt, andererseits war der Konzertabend ein Motivationsschub für alle anwesenden Blasmusiker und spornte insbesondere junge Burschen und Mädchen dazu an, weiter zu üben, um einmal Teil dieses einzigartigen Klangkörpers zu werden.

Danke LJBO Steiermark, danke Wolfgang Jud, danke Siegmund Andraschek für ein Konzert der Extraklasse, danke für einen Abend voller Emotionen und Begeisterung für die Blasmusik.

 

Text/Fotos: Rainer Schabereiter